alle Texte: CC BY-NC-ND
30. November 2022
Wie ein Ochs ihn faucht,
wie ein Drall ihn trifft,
so der Verliebte taucht
sein tapfer Tun in Gift.
Wie er zuweilen im Wahn
der Achtung und dem Recht
dem Freudentaumel Untertan
geboren ist als Knecht.
Wie er maßlos und ohne Werten
darüber glaubt und denkt;
wie er im bitteren Bestärken
das wenig Unnahbare lenkt.
Und als dieser dahingesunkene Tor
im Wissen um seine Fantasie
tritt bewusst mit leeren Händen vor,
auf dass er beten dürfe in Lethargie,
da rinnt zu später Abendstunde
ein Funke der Erinnerung,
und schlägt ihm baß eine tiefe Wunde
von wenig Haben, und von wenig Prunk.
Der Liebende ist dieser Welt
das Wesen mit der größten Qual;
er tut wohl daran, was ihm gefällt,
und hat doch wahrlich keine Wahl.
Der Liebende, er steht und weilt,
kann beharren in Geduld.
Und müßig frischt in Ewigkeit
als wäre Vorsatz seine Schuld.
In Wahrheit ist des Liebenden Begehren
natürlich und ganz leicht zu stillen:
Wer wollte einem Glück verwehren,
dem Bescheidenheit zu willen?
Wer sich um eines Menschen Schutze
mehr als um eigenes Wohl befasst,
der ist dem Frieden mehr von nutze
als der Hochmut ihn verprasst.
Der scheut auch nicht das jähe Ende,
solange er ohne Falsch und Fehl
gelangen kann zum Ziel behende,
seine Liebeskunde nicht verhehlt.
Dem Gepeinigten erfüllt die Bitte,
seinem Schatz zugegen sey,
betört sein Herz, in guter Mitte:
Ist nicht alleine – es sind zwei!
Was von Natur vereinen muss,
von unbesonnener Tat zu scheiden,
dass ist der allererste Kuss,
im Zufalle nicht zu vermeiden;
das ist verlegenes Wort gesprochen,
das ist wie man voneinander träumt.
Da wird der Eid in Treu gebrochen,
da wird der Lebensweg beräumt.
Und wo der Liebende sich auch meist
im Irrtum um beste Wesenszüge
benommen und vertraulich heißt,
ist ihm der eine Blick genüge,
der zärtlich und ganz einerlei
ihm dargeboten als teure Gabe
vermessen und verloren sey,
dass er außer ihm nichts an sich habe.
Diese Wahrheit prägt mein Wesen,
und käme trotz Befürchtung nicht umhin,
so sehr gebildet und belesen –
ich nicht mehr als dienlich bin.
14. April 2022
Besinne ich der wohlen Gabe,
mir Erinnerungen zu erhalten,
bedürfe ich an jedem Tage,
mir Weg und Zukunft zu gestalten.
Was mir niemals eher zu eigen,
mir Notwendiges anzutun;
das kreist um mich im wilden Reigen,
verbietet mir mich auszuruhen.
Das gibt mit breiten, güt'gen Händen
die Tragik einer letzten Seele,
mich dem Auserwählten zuzuwenden,
bis zuletzt mir Wohlstand fehle.
Dann erst werde ich bekennen,
zu lange mich dem Schluss verwehrt,
das Unglück am Schopfe zu benennen,
Gewissenhaftigkeit verjährt.
Neu und alt ist ein Geschehen,
Worte von demselben Trieb.
Werde bald im Geiste sehen,
was vom Wünschen übrig blieb.
Denn ist nicht eines, das ich verlange?
Was fehlt, soll nur verborgen sein:
Dieselbe Sache, um die ich immer bange,
sehnsüchtig fiele sie mir ein:
Um nichts im Leben zu akzeptieren,
dass Romantik nur der Liebe Ton –
die Begebenheiten zu parieren,
Prinzipientreue als gerechter Lohn.
25. Juni 2021
Habe ich nicht immerfort
Dir Herz und Geist gereicht?
Dir, mit deren Eitelkeit
sich allein Natur vergleicht?
Ist nicht eingegangen in alle Tage
Schrecken, Stolz und Glaube?
Ein Treiben, zu dessen Ursache
ich mir Maßlosigkeit erlaube?
Will nicht würdigen ein eines Mal
Dein kaum verkannter Augenblick?
Falle ich, mit offenen Wunden,
in die Wirklichkeit zurück?
Unnahbar will man Dich benennen;
keines Titels wird gerecht –
was ohne Hoffnung erst geboren,
und am Leben bliebe schlecht.
So heißt mein Urteil: Hoffnungslos.
Und Zweifel lenken meine Schritte,
wenn ich vor Nacht und Gefahrenlage
um dein Wohlgefallen bitte.
Denn stolz und eitel kann auch ich sein;
bekenne mich zu Astorgie.
Lebe, so gut ich es nur kann,
erreiche wahres Dasein nie.
Was mir zusteht, was mir fehlt,
heißt beides gleich mit einem Wort:
bekümmert mich um keines Willen
die Rückkehr an den einen Ort?
Dort, wo ich dereinst gewartet habe,
mich einst verliebte in einen Traum.
Woher sich meine Gabe speist
und Verlegenheiten kaum.
Ist nicht recht anzuraten,
Du mögest um Vergebung bitten?
Dass ich seit Ewigkeiten schon
an Unvergänglichkeit gelitten?
So falle mir anheim – geliebtes Wesen,
verheiße Kummer, der Du bist.
Unbeirrbar wird mein Glauben bleiben,
weil Glauben meine Liebe ist.
16. November 2020
Verweile ich an meinem Fenster,
erhöre leise ferne Laute,
bin gehemmt zu jeder Regung,
erkenne schon die mir Vertraute.
Will, dass sie mich niemals sieht,
verberge mich in falscher Scham.
Will, dass sie auf ewig von mir weiß,
vergehe sonst in Schuld und Gram.
Zwiespalt ist mein Waffenbruder,
Vernunft verloren durch Verrat.
Was immer ich für Abscheu wirke:
Ich es nicht aus Liebe tat?
Muss sie wissen in meinen Armen,
lieblich sein in allen Träumen.
Bedenke, dass mir alle Wünsche
den Hof der Hoffnung erst beräumen!
Träume gerne unerkannt,
ernst und eifrig ist das Bild;
gebe ihr als Unterpfand
mein Seelenheil, kahl und wild.
Geht sie vorüber, schwindet bald,
weinend schaue ich ihr nach.
Wird sie je begreifen, dass dereinst
mein kleines Herz von selbst zerbrach?
Wird sie, wann immer ich zu ihr bete,
meiner Hingabe klar bewusst?
Bin ich willig zu bekennen, dass mir ihr Fehlen
mehr bedeutet als Verlust?