Schriftarten – Die richtige Wahl


Die Auswahl der richtigen Schrift erfordert bestimmte Vorüberlegungen.

Welche Art Text soll gesetzt werden?

  • Für Mengentext (Berichte, Prosa etc.) bieten sich eine moderne Antiqua und nur ganz wenige Serifenlose an. Soll der Text inhaltlich strukturiert werden, wäre ein angestimmtes Paar von Serifen- und serifenloser Schrift wünschenswert (Beispiel: Libertinus Serif und Libertinus Sans).
  • Für den Satz historischer Texte brauche ich ggf. eine gebrochene Schrift oder eine Schrift, die historische Glyphen enthält (Schmuckligaturen oder heute nicht mehr verwendete Glyphen).
  • Für den Satz von Abbildungsbeschriftungen brauche ich ggf. einen eng laufenden Schnitt und verschiedene Gewichte.

Welchen Zeichenumfang benötige ich, um den Text korrekt setzen zu können?

  • Benötige ich Pfeilformen und technische Symbole?
  • Benötige ich ein griechisches oder kyrillisches Alphabet?
  • Sind alle Diakritika enthalten? Oft vergessen: Auch, wenn im Haupttext kaum Diakritika verwendet werden, können sie für den Satz von Namen im Literaturverzeichnis durchaus notwendig sein!
  • Für deutsche Texte: Sind Eszett und deutsche Umlaute enthalten? Hier ist Vorsicht bei »modernen« Interpretationen gebrochener Schriften geboten, die beispielsweise auf Eszett und langes Minuskel-s verzichten.
  • Für gebrochene Texte: Sind alle wichtigen Ligaturen enthalten, insbesondere die sog. Zwangsligaturen?
  • Benötige ich Kapitälchen für Autoren-Namen?
  • Benötige ich zwei Ziffern-Sets (Fließtext- und Tabellenziffern)?

Soll bewußt eine freie oder kommerzielle Lizenz verwendet werden?

Sowohl unter den freien als auch »unfreien« Schriftarten gibt es gute Vertreter für alle Zwecke (siehe Top 10). Ich meine: Solange es freie Schriften gibt, die denselben Zweck erfüllen, muß man nicht zwingend auf eine unfreie Schrift zurückgreifen. Es sei denn, man benötigt genau diesen einen Schriftduktus.


Für einen ersten Überblick kann sich der Anwender an meiner Top 10-Zusammenstellung orientieren, in die Anzahl der Gewichte und Schnitte sowie die Ausstattung mit Glyphen und die Lesbarkeit (Qualität der Zurichtung usw.) eingegangen sind.


Regeln beim Schriftsatz zum Erhalt der Lesbarkeit

  • Schriftmischung ist ein gefährliches Feld und sollte nicht von Laien festgelegt werden. Manche Schriften sollte man überhaupt nicht miteinander mischen, z.B. zwei Antiqua-Schriften. Besser, man sucht von vornherein eine Schriftart aus, die eine Grotesk (für Überschriften) und eine Antiqua (für Fließtext) enthält. Mit dem Paar Libertinus Serif und Libertinus Sans kann man nichts falsch machen.
  • Bei Platzmangel/-Überfluß auf einem Dokument (oder Poster), wird ein Textblock (Textrahmen) niemals horizontal gestreckt oder gestaucht, um ihn auf mehr Fläche zu verteilen! Solche Dinge werden stattdessen mit der sog. Laufweiten-Regulierung, d.h. dem Abstand der Buchstaben zueinander, manipuliert, und auch nur in Maßen. Viele Schriften bringen einen engen Schnitt (condensed/narrow) mit, bei dem die Buchstaben bereits von vornherein enger gezeichnet worden sind. Diese Schnitte eignen sich für Beschriftungen/Tabellentext auf engstem Raum. Praktischerweise lassen sich enge Schnitte problemlos mit der Grundschrift derselben Schriftart mischen (z.B. Ubuntu/Ubuntu Condensed).
  • Wer viel zwischen großen Überschriften, normal großem Grundtext und sehr kleinen Fußnoten-Texten wechselt, sollte darauf achten, ob die ausgesuchte Schriftart spezielle Schnitte für sehr kleine und sehr große Schriftgrößen mitbringt. Denn keinesfalls sollte eine Schrift in 11pt-Schriftgröße für eine Überschrift einfach auf 18pt skaliert werden! Die Strichstärke würde viel zu dünn geraten, außerdem müßte für Überschriften die Laufweite etwas reduziert werden. Bei Fußnoten ist es genau andersherum: Würde hier die Grundschrift einfach klein skaliert werden, wären die Strichstärken zu dick, die Binnenräume zu klein, die Laufweite zu gering. Aus diesem Grund enthalten gut ausgebaute Schriften spezielle Schnitte für Fußnoten und Überschriften, bei denen diese Anpassungen bereits vorgenommen worden sind. Sie tragen beispielsweise den Namensbestandteil »Display« für Überschriften ab z.B. 18pt Schriftgröße. Manchmal sind die Schriftarten direkt nach ihrer optimierten Schriftgröße benannt, z.B. CliffordSix, CliffordNine, CliffordEighteen (wobei die Zahl die Schriftgröße angibt). In der Schriftarten-Tabelle kann man das Feld »Designgrößen« danach filtern.
  • Generell sollten nicht mehr als 3 verschiedene Schriftgrößen in einer Grafik/einem Dokument verwendet werden, z.B. 6–8–11 pt oder 8–12–16 pt.
  • Innerhalb eines Dokuments sollten nicht mehr als zwei Schriftarten verwendet werden. Wer an Serif/Sans-Varianten derselben Schriftart denkt, sollte damit gut auskommen können.
  • Vorsicht bei serifenlosen Schriften, die mit einer vermeintlichen Kursive kommen: Dabei handelt es sich meist um keine echte Kursive, sondern nur eine schräggestellte Variante der Sans (sog. slanted oder oblique); die sind typographisch bedenklich und sollten vermieden werden.
  • Im Dokument so wenig Auszeichnungen wie möglich verwenden, d.h. nicht alle paar Wörter unterstreichen, sperren, einfärben, Fettschrift oder kursivieren, und das auch noch gemischt. (Unterstreichungen und Sperrungen sind heute ohnehin ein typographisches Tabu!) Meistens reicht die Kursivierung zur Hervorhebung von Wörtern aus.
  • Der Gebrauch von »Standard-Schriftarten« wie Arial oder Times (New Roman) sind allgemein verpönt, obwohl sie auf beinahe jedem System vorinstalliert sind. Die Arial ist zwar gut ausgebaut, aber auch ausgesprochen charakterlos und ohne Wiedererkennungswert. Obwohl die Arial gewissen Studien zufolge nach wie vor die am besten lesbare Schrift am PC-Bildschirm ist (und sie ist tatsächlich gut lesbar!), würde ich sie nie für den Druck benutzen. Die Times ist zwar gut für den Druck, allerdings findet sie sich auf beinahe jedem Dokument, und ihre Benutzung trägt nicht dazu bei, die Abschlußarbeit zu etwas Besonderem in den Augen des Lesers zu machen. (Natürlich sollte man auch keine auffällig-exzentrischen Schriften nutzen!) Stattdessen empfehle ich eine der vielen freien Alternativen (siehe Top-10).
  • Wer Design-Dateien (InDesign, Corel, Scribus) oder Manuskripte weitergibt, sollte immer auch die Schriftarten-Dateien mitschicken, die verwendet worden sind. Im Ausnahmefall (Arial, Times) kann man darauf verzichten. Die Weitergabe kommerzielle vertriebener Schriften ist auf diese Weise meist nicht erlaubt; bei Schriftarten unter freier Lizenz (SIL Open Font License) ist das kein Problem.

Regeln für Schriftarten am Bildschirm

Schriften, die am PC-/Tablet-Bildschirm oder über eine Projektion (Präsentation im Unterricht/Tagungen) dargestellt werden, haben meist eine viel geringere Auflösung als dieselbe Schrift im Druck. Im Sinne der Lesbarkeit gilt daher zu beachten:

  • Möglichst nur serifenlose Schriften gebrauchen. Serifen wirken auf den Betrachter/Zuschauer eher unruhig und die Buchstaben sind schwerer zu trennen, während serifenlose Schriften schneller erfaßbar sind. Arial gilt als hervorragend lesbar am Bildschirm. Es gibt aber auch einige andere Schriftarten, die speziell für die Darstellung am Bildschirm optimiert worden sind, z.B. Droid, Roboto oder Fira.
  • Auf Kursive verzichten, sie sind am Bildschirm nicht gut lesbar (geneigte Serifen-Buchstaben durchkreuzen alle orthogonalen Bildschirm-Pixel).