Die Qualität der Zurichtung wurde durch Druck eines Musterblattes mit typischen Kerning-Paaren bestimmt. Geprüft wurden Glyphen-Paare der folgenden Gruppen:
Von insgesamt 332 möglichen Fehlerpunkten wurde die Gesamtzahl der Fehler summiert und prozentual aufgerechnet. Je weniger Fehler die Schrift im Test zeigte, desto besser ist sie also zugerichtet. Wertungsgruppen habe ich wie folgt festgelegt:
Die Top 5 der am besten zugerichteten Schriften lautet bisher:
Es sei betont, dass dieser Fehlerindikator lediglich einen Orientierungswert darstellt; denn er hängt maßgeblich von den im Kerning-Test aufgezeigten Beispielpaaren mit typischen Problemstellen bei der Unterschneidung ab, z. B. Chevrons neben Buchstaben mit viel Fleisch (T oder V). Solche Paare können seltener oder häufiger auftreten, und zuweilen lässt sich derselbe Text als vorzüglich zugerichtet bezeichnen, obwohl er laut Tabelle aus Schriften mit gutem und schlechtem Zurichtungsindikator gesetzt worden ist. Will sagen: Es handelt sich um der Orientierung dienende Vergleichswerte, die aber nach Textart bedeutungslos sein können – wer ohne Initiale, Anführungszeichen jeder Art, Versal-Abfolgen und dergleichen Sonderfälle setzt, wird von den Unzulänglichkeiten der einen oder anderen Schrift nichts merken. Wer aber gleich zur richtigen Schrift greift, wird sich darüber auch keine Sorgen machen müssen.
Der Satz der Zurichtungs-Testseiten erfolgte mit LibreOffice Writer, obwohl bekannt ist, dass es offenbar nur das alte TTF-Kerning versteht und gar nicht auf den gesamten, im GPOS-Format gespeicherten OTF-Kerning-Satz zurückgreifen kann. Im Satz-Vergleich mit Programmen, die offiziell die OTF-Kerning-Tabellen verstehen (MS Word 2010 und höher, Adobe Illustrator CS6, Quark XPress 10), zeigt sich kein wesentlicher Unterschied. Ohnehin soll diese Studie Anwendern nutzen, die für kurze Texte nicht gleich zur großen DTP-Software greifen; demzufolge sind die hier vorgestellten Erkenntnisse vergleichbar und repräsentativ.
Interessant ist die Frage, ob die Anzahl der vorprogrammierten Unterschneidungspaare generell oder tendenziell eine bessere Zurichtung bedeuten. Schließlich sollte eine Schrift mit nur wenigen Hundert Kerning-Paaren doch schlechter zugerichtet sein als eine mit Zehntausenden?! – Tatsächlich scheint kein deutlicher Bezug zwischen der Anzahl der Zurichtungspaare und guter Zurichtung zu bestehen. Gleichwohl gibt es einen allgemeinen Trend, dass Schriften mit nur einigen hundert Kerning-Paaren auch nur mittelmäßig zugerichtet sind, z. B. die Weidemann. Andererseits gibt es Schriften mit Zehntausenden Kerning-Paaren, die sich kaum Fehler im Zurichtungstest erlauben, z. B. die Cormorant Garamond. Soweit also keine Überraschung. Bemerkenswert ist allerdings, dass ebenso die gegensätzlichen Extrema auftreten: Die Cheltenham hat nur 508 vorprogrammierte Paare und zeigt doch eine bessere Zurichtung als die mit über 200.000 Paaren ausgestattete Minion Pro!
Obwohl der von mir verwendete Kerning-Test die häufigsten Problemstellen bei Zeichen-Kombinationen enthält, scheint er demzufolge nicht repräsentativ zu sein. Eine Wichtung der Kerning-Fehler nach häufigen Glyphenpaaren (und damit relevant) und seltenen oder unmöglichen Kombinationen wäre theoretisch zwar möglich, aber gegenüber dem Vorsatz einer objektiven Bewertung nicht angemessen: Schließlich will ich nicht allein den Wert der Schrift an meinen Vorlieben (nur deutsche/englische Texte ohne Diakritika; Chevrons vor Gänsefüßchen etc.) oder schriftlichem Stil bemessen; die Zurichtung soll ja auch für fremdsprachige Texte und jede erdenkliche Variation gut sein.
Einige der hier vorgestellten Schriften sind sowohl als TeX-Schriftart als auch als .ttf/.otf-Font verfügbar. Interessant ist daher der Vergleich, ob dasselbe Kerning-Test-Muster, einmal mit LaTeX, einmal mit LibreOffice Writer gesetzt, Unterschiede aufweist. Hierfür ein paar Beispiele:
Es ist anzumerken, dass im TeX-Quellcode Ligaturen manuell aufgelöst wurden, wo sie nicht erlaubt sind (an Wort-Zusammensetzungen), sodass an diesen Beispiel-Paaren, wo es um die Zeichenberührung geht, keine Buchstaben ineinanderfließen konnten und entsprechend weniger Kerning-Fehler gemacht worden sind.
Zuweilen erscheint mir aber unverständlich, wieso bei manchen Beispielen dieselben Fehler begangen und vermieden werden (was ja auf eine einheitlich angesteuerte Kerning-Paar-Tabelle hinweist), und bei anderen Beispielen die Zurichtung derselben Kombinationen mit TeX besser ist (manuell aufgelöste Ligaturen ausgenommen).