Typographische Grundbegriffe


Gewichte

Ultra Light und Light = Mager

Für groß geschriebenen Text (Titelei) kann manchmal der magere Schnitt besser und weniger vordringlich aussehen als die Normale. Magere Schnitte (zuweilen auch noch feiner: Ultra-Light, Extra-Light) sind Bestandteil gut ausgebauter Schriften. Ihr Einsatz ist letztendlich abhängig davon, (1) welche Schriftgröße gedruckt wird, und (2) wie fein oder dick die Normale selbst erscheint, sodaß ein magerer Schnitt sinnvoll sein könnte.

 

Regular = Normale, Aufrechte

Das Grundgewicht, das üblicherweise zum Setzen von Mengentext verwendet wird. In einigen Fällen ist dieses Gewicht bereits zu stark und man sollte dann, falls verfügbar, auf das nächst leichtere Gewicht wechseln. Manche Schriften bieten auch einen sog. Book-Schnitt an, der speziell für den Druck von Mengentext gedacht ist.

 

Medium = Halbfette

Üblicherweise ist die gewöhnliche Fette optisch zu auffällig. Gut ausgebaute Schriften warten dann mit mehreren Strichstärken auf, z.B. einer Halbfetten, die zwischen der Normalen und Fetten steht. Ihr Einsatz erzeugt meist denselben, aber nicht übertriebenen Auszeichnungseffekt. Noch wuchtigere Strichstärken oberhalb der Fetten (Heavy, Black) sind außerhalb von Magazinen (Blickfang!) meist nicht erforderlich. Die Medium wird manchmal auch als Demi bezeichnet.

 

Bold und Ultra Bold = Fette und Sehr Fette.


Schnitte

Unter den Kursiven/Geneigten wurden nur diejenigen für die Aufrechte vermerkt. Enthält eine Schrift außerdem eine Kursive für andere Gewichte (z. B. Fett-Kursiv), wurde dies nicht vermerkt.

 

Italic/Oblique = Kursive/Geneigte

Die Kursive ist für die meisten Antiqua-Mengentexte als Auszeichnungsmöglichkeit meist unerläßlich. Entsprechend hoch wurde gewichtet, ob eine Kursive verfügbar ist. Die Geneigte ist eigentlich keine Kursive, sondern nur eine künstlich schräggestellte Normale. Sie hat weder den Duktus noch die Eigenheiten einer echten Kursiven, weshalb auf die Geneigte in jedem Fall verzichtet werden sollte. Meistens sind serifenlose Schriften mit so einem Oblique-Schnitt ausgestattet, auch wenn er oft falsch als »Italic« = Kursiv gekennzeichnet ist.

 

Condensed = Gestaucht, Englaufend

Ein englaufender (platzsparender) Schnitt ist nur bei wenigen Schriftarten vorhanden, und immer eine Bereicherung. Englaufende Schrift wird in Abbildungen vergleichsweise oft verwendet, nämlich dort, wo wenig Platz zur Verfügung steht. Man sollte es mit englaufender Schrift nicht übertreiben: Eine Abbildung, bei der alle Beschriftungselemente gestaucht sind, wirkt unreif und ist, im Detail, anstrengend zu lesen. Man sollte bedenken, daß eine Abbildung den Text nur begleitet und unterstützt, aber nicht für die Unterbringung von Mengentext gemacht ist! Eine Vergewaltigung der Schrift ist es, wenn die Normale im Grafikprogramm künstlich gestaucht wird, um einen Condensed-Schnitt zu imitieren!

 

Titling

Spezieller Schnitt für große Schriftgrößen (ab ca. 16 pt, für Überschriften).

 

Designgrößen

Für manche Schriften (z. B. Arno, Clifford oder EB Garamond) existieren sog. Designgrößen, die auf bestimmte Größenintervalle abgestimmt sind.


Typographische Extras

Kapitälchen

Ermöglichen eine Strukturierung des Textes, auch wenn keine kursiven, halbfetten oder fetten Schnitte vorliegen. Kapitälchen-Satz (wie auch Versalsatz) sollte immer etwas gesperrt werden.

 

Mediävalziffern – Ziffern, die Unter- und Oberlängen haben

Sie sollten bevorzugt im Mengensatz verwendet werden, da sie sich besser eingliedern und aus der Textzeile weniger herausstechen.

 

Versalziffern – Ziffern, die die gleiche Höhe wie Versalbuchstaben haben. Bevorzugt in Tabellen einzusetzen.

 

Röm. Zahlzeichen

Gut ausgebaute Schriftarten enthalten vorgezeichnete römische Zahlzeichen, bei denen die Fuß- und Kopfserifen miteinander verbunden sind. Diese einzelnen Glyphen berücksichtigen dabei bereits die Versal-Spationierung (Versalausgleich), die man sonst noch vornehmen müßte. Römische Zahlzeichen finden z.B. Verwendung bei der Numerierung von geologischen Schichten. Meistens sind im Glyphensatz nur die Grundbuchstaben enthalten (I, V, X, L, M), in seltenen Fällen auch vollständige Ziffern bis 20. Man sollte vor ihrer Benutzung prüfen, ob man mehr braucht. Wer mehr braucht, büßt meistens auch die Übersichtlichkeit ein, da die Ziffern komplizierter werden. Nicht umsonst haben sich ab dem 13. Jahrhundert in Europa die indischen Ziffern durchgesetzt.

 

Bruchzahlen

Die Verfügbarkeit von speziell gezeichneten Bruch-Glyphen dient bei kleinen Schriftgrößen der besseren Lesbarkeit. Andererseits wäre mir kein Beispiel bekannt, bei dem man in einer naturwissenschaftlichen Abbildung z.B. ⅝ benötigt.

 

Eingekreiste Ziffern

»Eingekreiste Ziffern« meint Glyphen, die aus einem Kreis bestehen, in die eine Ziffer eingeschlossen ist. Diese reichen meist nur von 1 bis 10, manchmal auch bis 20. In einigen Fällen sind diese Glyphen invertiert, d.h. eine weiße Ziffer in einer schwarzen Kreisfläche; oder sind mit einer doppelten Kreislinie eingefaßt. Vorteil dieser vorgezeichneten Glyphen ist, daß ihre Höhe zur Kreisfläche paßt, ohne sich dem Kreisrand zu sehr zu nähern (was ihre Erfaßbarkeit beeinflussen würde). Selbstverständlich kann man auch in jedem beliebigen Vektor-Zeichenprogramm diese Glyphen durch Kombination aus Kreis und Ziffer nachstellen. In der Geologie werden eingekreiste Ziffern gelegentlich für die Numerierung von geologischen Schichtgliedern oder der Position entnommener Proben am Säulenprofil verwendet.

 

Griechisches Alphabet

Für naturwissenschaftliche Abbildungen ist die Verfügbarkeit von Buchstaben des griechischen Alphabets zuweilen unabdingbar. Die meisten untersuchten Schriftarten enthalten im mindesten Fall ein Minuskel-My (μ) und ein Versal-Omega (Ω), mit denen man aber normalerweise nicht viel anfangen kann, wenn die restlichen griechischen Buchstaben fehlen. Bemerkenswert ist die unterschiedliche Qualität der griechischen Alphabete. Da sie sich an die serifenlose Schrift anlehnen, verlieren nahezu alle ihren geschwungenen, von der Handschrift abgeleiteten Duktus und wirken häufig steif. Beispielsweise ist in einigen Fällen (Tahoma) das kleine Alpha geformt wie ein Minuskel-a des lateinischen Alphabets; das kleine Beta erinnert oft an ein Eszett.

 

Grad-Zeichen (°)

Ist in den meisten Schriftarten enthalten. Es dient der Kennzeichnung geographischer Koordinaten (kartographische Abbildungen) und geometrischer Winkel, ist aber auch für Temperaturangaben unabdingbar.

 

Minute/Sekunde

Gemeint sind hier spezielle Glyphen, die nicht mit Apostroph oder einem doppelten Anführungszeichen verwechselt werden dürfen!

 

Exponenten/Indizes = Hoch- und tiefgestellte Ziffern bzw. Buchstaben

Der Glyphensatz an Exponenten und Indizes ist meist mehr oder weniger vollständig. Notwendig sind sie zur Darstellung von chemischen und physikalischen Formelgruppen, aber auch zur Kennzeichnung von Proben und Termen nicht unüblich. Für literarische Texte von untergeordneter Bedeutung.

 

Pfeilformen

Die wenigsten der untersuchten Schriften enthalten eigene Pfeil-Glyphen (für jede Himmelsrichtung, auch Doppelpfeile, geschwungene usw.). Werden sie im Text gebraucht, dann meist in Verwendung eines Verweises. Alternativ sind auch kleine, geometrische Dreiecke gebräuchlich. Bezogen auf die Beschriftung einer Abbildung sind Pfeile meist entbehrlich, denn sie lassen sich mit jeder Vektor-Zeichensoftware erzeugen. Dann sollte deren Linienstärke aber zur Linienstärke der Buchstaben passen.

 

3g = 3-geschossiges Minuskel-g

Bei serifenlosen Schriften ist das zweigeschossige Minuskel-g geläufig, insbesondere bei amerikanischen Fonts. Gut ausgebaute Schriftarten enthalten auch ein dreigeschossiges Minuskel-g (der Antiqua), das über einen OpenType-Schalter (style set) das Standard-g ersetzen kann. Der dreigeschossige Gemeine ist eindeutiger, da die zweigeschossige Variante, insbesondere bei geringer Unterlänge und kleinem Schriftgrad, mit dem Minuskel-a verwechselt werden kann. Andererseits sticht insbesondere bei serifenlosen Schriften das dreigeschossige Minuskel-g mit seiner Unterlänge aus der Zeile heraus. Vermutlich greift das Argument der »auffälligen Unterlänge« in einzeiligen Abbildungsbeschriftungen nicht.

 

Diakritika

Die Verfügbarkeit von Diakritika, d.h. Umlauten der vom Lateinischen abgewandelten Sprachen (à, é, ä und etliche mehr), wurde besonders hoch gewertet. Denn nur sie ermöglicht das Setzen mehrsprachiger Texte. In gebrochenen Schriften sind meist nur wenige Diakritika enthalten, aber auch in modernen Antiqua-Schriften können wichtige Diakritika nicht belegt sein.

 

fi-Ligatur und fl-Ligatur

Verfügbarkeit der fi- und fl-Ligatur. Dies sollte in allen Antiqua-Schriftarten ein Standard sein. Nur bei gebrochenen Schriften erwarte ich mehr.

 

langes-s-Ligaturen

Ligaturen mit dem langen Minuskel-s. Dies sollte zum Standard in gebrochenen Schriften gehören, ist aber kein Muß.

 

Weitere Ligaturen

Dies betrifft weitere, in Antiqua-Schriften mögliche Ligaturen, beispielsweise Doppel-Konsonanten oder Kombination mit dem Minuskel-f (fb, ff, ffb, ffh, ffi, ffj, ffk, ffl, fft, ffy, fh, fi, fij, fj, fk, fl, fr, ft, fty, fy).

 

Eszett

Man beachte, daß manche Schriften kein Eszett enthalten und daher für deutsche Texte nur bedingt nutzbar sind! Ist beispielsweise bei modernen Interpretationen einer gebrochenen Schrift keine Eszett-Glyphe enthalten, gilt diese Schrift für mich als unbrauchbar.

Es wurde nicht separat vermerkt, ob eine Glyphe für das Versal-Eszett enthalten ist. (Der Verfasser zweifelt an der Berechtigung für das Versal-Eszett. Es ist zwar falsch, das Minuskel-Eszett im Versalsatz zu gebrauchen und ebenso falsch, es stattdessen mit einem SS zu ersetzen. Für diesen Fall muß theoretisch eine Versalform des Eszett eingesetzt werden. Andernfalls sollte überlegt werden, ob Versalsatz überhaupt erforderlich ist.)

 

Alinea ¶

Sollte unter den gebrochenen Schriften meiner Meinung nach immer vorhanden sein.

 

Geviert-Strich

Meint das Vorhandensein eines längeren Spiegelstrichs (—), wie er in deutschen Texten aus gebrochener Schrift zur Abgrenzung eingefügter Textpassagen gebraucht wird. Der Geviert-Strich ist nicht zu verwechseln mit dem Bindestrich (den man aus der Antiqua kennt = Gedankenstrich –) oder dem Fraktur-Bindestrich (in Frakturschriften häufig ein »geneigtes Gleichheitszeichen«)!

 

Langes s

Diese Glyphe sollte in jeder Fraktur-Schriftart enthalten sein, sonst wird selbige Schrift ihres Sinns beraubt. Moderne Interpretationen lassen diese heute ungebräuchliche Form weg und entsprechen damit einer Mode.

 

ch-Ligaturck-Ligatur und tz-Ligatur

Diese drei Ligaturen zählen in gebrochenen Schriften zu den Zwangsligaturen, sollten also eigentlich immer enthalten sein.

 

sch-Ligatur

Eine zusätzliche, optional nutzbare Ligatur in gebrochenen Texten.

 

Versal-J

Die älteren gebrochenen Schriften enthielten noch kein Versal-J, so wie wir das heute kennen. Im Verlauf der Digitalisierung der Schrift wurde dann meist eine J-Glyphe eingefügt, auch wenn diese in der historischen Vorlage nicht enthalten war. In den meisten Fällen wurde hierfür die I-Glyphe ein wenig in der Länge skaliert und als Versal-J deklariert. Das sieht nicht immer stimmig aus. In anderen Fällen wurde stattdessen eine eigene J-Glyphe entworfen.

 

mm und nn

= doppeltes m und n mit Querbalken. Meint die Verkürzungsformen dieser Doppelbuchstaben in gebrochenen Schriften, d.h. das Vorhandensein einer Glyphe m und n mit einem jeweiligen Balken darauf. Diese Kurzform wurde früher anstelle des längeren (und schlechter lesbaren) mm oder nn verwendet. Mittelalterliche Texte sind geradezu vollgestopft mit solchen Abkürzungen.

 

Rundes r

Meint das Vorhandensein des berüchtigten »runden Minuskel-r« in gebrochenen Schriften, einer Kurzform des »normalen« Minuskel-r, das man als Folgebuchstaben nach Buchstaben mit »Bauch nach rechts« (b, h, o, p) setzen kann. Auch gilt die Regel, es immer dann einzusetzen, wenn ein Wort mit »r« endet. Allerdings kann der häufige Gebrauch des runden r die Lesbarkeit auch spürbar reduzieren. Ähnlich sparsam verwenden wie Schmuckligaturen!

 

rc-Ligatur

Diese heute nicht mehr gebrauchte/bekannte Glyphe ist eine Ligatur aus (rundem) »r« und »c« (ursprünglich von relinquo cetera = lat. »den Rest laß ich weg«; nach anderen Autoren aber auch anders interpretiert) und wird in Funktion eines »usw.« oder »etc.« eingesetzt. Ein typographischer Bonus, der gerne benutzt werden darf. Leider ist die Ligatur in digitalisierten Frakturschriften nur selten enthalten.